Formen

Mittels der sexualisierten Gewalt greifen die Täter*innen die Betroffenen meist auf der körperlichen und gleichzeitig auf der psychischen Ebene an. Dieser Angriff kann jedoch unterschiedliche Formen annehmen. Manche Formen der sexualisierten Gewalt haben eine sehr starke körperliche Komponente und erzeugen intensive Schmerzen oder nachhaltige Schäden an den äußeren Geschlechtsmerkmalen, z.B.:

  • Sexualisierte Folter: z.B. Schläge/Tritte in den Genitalbereich, das Quetschen, Abbinden oder Verbrennen von Penis und/oder Hoden, Elektroschocks, Schnittverletzungen, Einführen von Gegenständen in die Harnröhre
  • Kastration: gewaltsame Entfernung oder starke Beschädigung der äußeren Geschlechtsmerkmale

Andere Formen finden ebenfalls auf der körperlichen Ebene statt, zielen dabei aber noch stärker auf die Sexualität bzw. sexuelle Identität der Betroffenen, z.B.:

  • Vergewaltigungen: Penetration von Mund oder Anus der Betroffenen mit Gegenständen (z.B. Flaschen, Stöcke, Waffen) oder Geschlechtsteilen der Täter
  • Erzwungene sexuelle Handlungen: Die Täter*innen zwingen die Betroffenen, sexuelle Handlungen mit anderen Betroffenen auszuüben (andere Gefangene, Familienmitglieder). Dies geschieht oftmals unter vorgehaltener Waffe und Androhungen von weiterer Gewalt, sollten die Betroffenen sich weigern, die Handlungen auszuführen.

Manche Formen der Gewalt finden stärker auf der psychischen als auf der körperlichen Ebene statt und lösen extreme Schamgefühle oder Angst bei den Betroffenen aus. Dazu gehören z.B.:

  • Erzwungene Nacktheit über einen längeren Zeitraum, ggf. mit anderen Personen auf engem Raum oder begleitet von demütigenden sexualisierten Kommentaren
  • Foto- oder Videoaufnahmen nackter Gefangener, ggf. in erniedrigenden Körperhaltungen.
  • Androhungen von sexualisierter Gewalt

Täter*innen

Sehr häufig, wenn sexualisierte Gewalt gegen Männer* ausgeübt wird, sind die Täter*innen selbst auch Männer*. In einer sehr wichtigen Studie im Kongo haben sogar 94% der befragten Männer* angegeben, dass die Täter selbst auch Männer* waren. Aber auch Frauen werden zu Täterinnen. Wir wissen, dass die sexualisierte Gewalt unter anderem von folgenden Personen ausgeht:

  • Soldaten und Milizen
  • Politische oder religiöse Rebellen
  • Gefängniswärter
  • Polizisten
  • Soldaten der Friedenstruppen der Vereinten Nationen
  • Mitglieder der Familie und des sozialen Nahfelds
  • Grenzwächter
  • Schleuser
  • Lokale Bevölkerung in Transit- und Ankunftsländern

Machtverhältnisse und Motive

Bei den Täter*innen handelt es sich immer um Personen, die in der jeweiligen Situation in einem Machtverhältnis gegenüber den Betroffenen stehen. Dieses Machtverhältnis kann unterschiedlich aussehen:

  • Ein politisches Machtverhältnis zwischen Machtinhabern und Angehörigen einer politischen Minderheit, ausgeübt z.B. durch Inhaftierung politischer Gegner
  • Ein situatives Machtverhältnis, hergestellt z.B. durch die Androhung von (Waffen-)Gewalt in einer bestimmten Situation
  • Ein soziales Machtverhältnis, z.B. durch die gesellschaftliche Diskriminierung und Stigmatisierung von Personen, die LGBTQ* sind
  • Ein ökonomisches Machtverhältnis, z.B. zwischen geflüchteten Personen und der lokalen Bevölkerung in Transit- oder Aufnahmeländern

Die Motive der sexualisierten Gewalt weisen situationsabhängig Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede auf.

  • Im Kontext kriegerischer Auseinandersetzungen, politischer Verfolgung und Inhaftierung sollen mit der Gewalt vor allem große Scham und Demütigung bei den Betroffenen ausgelöst werden. Die Täter*innen wissen, dass sie mit dieser Gewaltform nicht nur den Körper, sondern auch die Identität und die psychische Integrität des Betroffenen angreifen.
  • Oft soll aber nicht nur der Betroffene selbst, sondern auch seine Herkunftsgemeinschaft angegriffen und abgewertet werden. Der Betroffene wird also manchmal als Repräsentant seiner Gruppe gesehen, und die Demütigung zielt auf ihn und gleichzeitig die ganze Gruppe.
  • In Situationen auf der Flucht, beispielsweise an Grenzübergängen, dient die Gewalt oftmals nicht nur der Demütigung der Betroffenen, sondern drückt auch rassistische Einstellungen aus und soll ggf. auch davor abschrecken, die Flucht fortzusetzen.
  • Gegenüber LGBTIQ*-Personen ist das Motiv meistens etwas anders gelagert. Hier geht es zwar auch um die Demütigung der Personen, gleichzeitig aber um die Demonstration davon, dass die Identität der Person in den Augen der Täter falsch ist bzw. „nicht sein darf“. Die Person wird damit stigmatisiert und soll als „minderwertig“ markiert werden.
  • Schließlich kann auch die sexuelle Befriedigung der Täter*innen ein Motiv darstellen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Täter die ökonomische Notlage geflüchteter Jungen* und junger Männer* ausnutzen, um sie sexuell auszubeuten.